Nagelbeißer

Jeder vierte Deutsche kaut an seinen Fingernägeln. Zumeist sind es Kinder und Jugendliche Marion Hughes (Berliner Zeitung)

Eine schlechte Angewohnheit, so nennen es die Laien. Die Mediziner hingegen haben für das ständige Abkauen der Fingernägel sogar einen Namen: Onychophagie, abgeleitet aus den griechischen Wörtern “ónychos” für Nagel und “phagein” für essen. Rund 18 Millionen Deutsche tun es, das ist immerhin jeder vierte. In der Mehrzahl sind es Kinder und Jugendliche: 30 Prozent der Nägelkauer, -beißer oder -knabberer sind jünger als 18 Jahre, etwa zehn Prozent sind erwachsen.

Die Angewohnheit, an den Nägeln zu kauen, beginnt häufig im Kindergartenalter. Vier bis sechs Jahre alt sind die Kleinen, wenn sie damit anfangen. In der Regel handelt es sich um eine vorübergehende Angelegenheit, die bis zum zehnten Lebensjahr zunehmen kann, mit zwölf, dreizehn Jahren am stärksten ist und irgendwann im Jugendalter wieder aufhört. Fast immer stecken psychische Belastungen dahinter: ein Geschwisterkind wird geboren, die Eltern trennen sich oder es treten Probleme im Kindergarten oder in der Schule auf. Lieber, als sich mit diesen Problemen auseinander zu setzen, beschäftigt sich das Kind mit sich selbst. Nägelkauen beruhigt. Auch später, im Schulalter oder als Erwachsener, geschieht das Kauen an den Fingernägeln zumeist unbewusst, in Zeiten von Langeweile ebenso wie in Zeiten von großem Stress. Die Psychologen nennen dies eine “Leerlaufhandlung”. Allgemein wird in drei Stufen unterschieden: das einfache Abkauen der Nägel, das Kauen bis es blutet und das Herunterkauen der Nägel bis zum Nagelbett. In den beiden letzten Fällen empfiehlt sich die Konsultation eines Psychologen.

Informationen zum Nägelkauen und wie man seine Kinder beim Aufhören unterstützen kann, finden sich unter: www. eltern.de, www.familienhandbuch.de

URSACHEN UND STRATEGIEN

DEFINITION: Onychophagie (Nägelkauen) bezeichnet die Angewohnheit, auf den Fingernägeln zu kauen oder diese abzubeißen. Es kann sich dabei um den harmlosen Ausdruck einer vorübergehenden Verlegenheit (Übersprungsbewegung) handeln oder um das Symptom einer Verhaltensstörung (Zwangshandlung).

URSACHEN: Fast immer ist das Nägelkauen ein Zeichen dafür, dass das Kinder oder Erwachsene Schwierigkeiten mit ihrer Umgebung haben, das irgend etwas für Unruhe sorgt. Erfahrene Erzieher und Lehrer wissen, dass Kinder, die in Schwierigkeiten stecken, eher an den Fingernägeln kauen, als Kinder ohne Probleme.

VERHALTEN: Das Nägelkauen geschieht unbewusst. Oft wissen Kinder oder Erwachsene nicht einmal selbst, warum sie eigentlich an den Nägeln kauen. Schimpfen oder bestrafen bringt hier gar nichts. Vielmehr sollten Eltern oder Freunde gemeinsam mit dem Betroffenen versuchen, die Ursachen für diese Angewohnheit herauszufinden. Wann sind die Momente, in denen an den Nägeln gekaut wird? Merkt derjenige es überhaupt? Achtung: Ständiges Ermahnen oder auf die Angewohnheit hinweisen, erhöht nur den Stress und bewirkt letztendlich das Gegenteil. Und: Einem Kind das Nägelkauen gegen seinen Willen abzuge- wöhnen ist unmöglich. Viele Kinder wollen dann längere, schönere Fingernägel, wenn sie von Gleichaltrigen gehänselt werden oder ihre Eitelkeit – meistens in der Pubertät – erwacht.

HÄUFIGKEIT: Wenn ein Kind nur ab und zu an den Nägeln kaut oder auch an den Nagelhäutchen herumzupft, und zwar so, dass es nicht generell zu einer Verletzung des Nagelbetts kommt, besteht kein Grund zur Besorgnis. Die Eltern sollten es beobachten, müssen aber nicht eingreifen. Gelegentliches Nägelkauen ist tatsächlich nur eine Angewohnheit. Zugegeben: eine Angewohnheit, die sich häufig nur sehr schwer wieder abgewöhnen lässt. Doch irgendwann sind dem Kind die abgenagten Nägel so unangenehm, dass es auch die Motivation hat, mit dem Nägelkauen aufzuhören. Am besten ist es, die Nägelkauerei nicht übertrieben zu thematisieren.

SCHWERE: Handlungsbedarf besteht hingegen, wenn die Nägel regelmäßig so weit abgebissen werden, dass das Nagelbett anschwillt und Ent- zündungen entstehen. Diese Nagelbettentzündungen sind sehr schmerzhaft und man sollte nachfragen, warum sich der Betreffende regelmäßig diesen Schmerz zufügt. Psychologen sehen darin einerseits etwas Selbstverletzendes und Aggressives, anderseits aber auch etwas Selbstverzärtelndes, denn die Beschäftigung mit sich selbst beruhigt.

METHODEN, DIE DAS ABGEWÖHNEN ERLEICHTERN

Tinkturen: In den Apotheken kann man verschiedene Tinkturen, Crèmes oder Lacke erwerben, die beim Abgewöhnen helfen sollen. Das Prinzip: Die Tinkturen schmecken zumeist sehr unangenehm: Sobald der Betroffene die Nägel an den Mund führt, bemerkt er durch den Geschmack sofort, dass er mit dem Knabbern beginnt. Mit etwas Willensanstrengung kann er das dann stoppen.

Naturheilmittel: Wermutkraut hat sich ebenfalls beim Abgewöhnen bewährt: Fingerspitzen in aufgegossenes Wermutkraut tauchen und an den Fingern lutschen.

Belohnung: Der Betroffene verabredet mit einer Person seines Vertrauens (bei Kindern die Eltern oder Großeltern, bei Erwachsenen die Partner oder Freunde) eine bestimmte Zeit, während der er nicht mehr an den Nägeln kaut. Gelingt es ihm, in dieser Zeit die Fingernägel sichtbar “heranzuzüchten”, hat er einen Wunsch frei.

Nagellack: Mädchen hören zumeist mit dem Nägelkauen auf, wenn sie in ein Alter kommen, in dem sie ihre Fingernägel lackieren. Ein auffälliger Nagellack sieht natürlich nur mit schönen Fingernägeln gut aus.

Nagelmodelage: Man kann sich auch mit künstlichen Fingernägeln das Kauen abgewöhnen. Die künstlichen Nägel sind in der Regel so hart, dass ein Abbeißen fast unmöglich ist. Außerdem erhält der eigene Nagel darunter Zeit zu wachsen.

Maniküre: Eine Hand- und Nagelpflege verhindert das Nägelkauen zwar nicht, kann vielleicht aber einiges retten. Und anstelle an den Nägeln zu kauen, lässt es sich viel besser daran herumfeilen, scharfe Kanten beseitigen und die Nägel in Form bringen (natürlich nicht in der Öffentlichkeit).

ALLGEMEINES: Oft fällt das Nägelkauen der Umwelt gar nicht auf. Je mehr man jedoch versucht die Nägel zu verstecken (zum Beispiel beim Essen oder beim Spielen mit Freunden), desto eher lenkt man die Aufmerksamkeit auf die Hände und damit auf die Fingernägel. Selbst wenn es jemandem auffällt, sollte man sich nicht schämen. Denn Nägelkauen ist keineswegs etwas Schlimmes.

Internet: Diskussion und Austausch mit Betroffenen ist möglich unter: www. naegelkauen.de

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